Am Anfang stand die Zeit (3/3): Wie die Zeit unverzichtbar wurde | Montredo

By Montredo in Watch 101
Mai 9, 2019
Am Anfang stand die Zeit (3/3): Wie die Zeit unverzichtbar wurde | Montredo

Mit dem Aufkommen der Industrialisierung in Europa veränderten sich mit der Wahrnehmung der Zeit als knappes und somit ökonomisches Gut auch die Produktionsweisen und mit ihr die Erwerbstätigkeit der Arbeiter. Beispielsweise räumte ein Uhrmacher den Werktisch in seiner Kammer und bot seine Dienste demjenigen an, der bereit war dafür ein Gehalt zu zahlen. Der Tagesablauf eines Menschen wurde fortan nicht mehr von Auf- und Untergang der Sonne, sondern von der Stempeluhr der Fabrik bestimmt; die innerbetriebliche Organisation und die Taktung der Produktionsabläufe immer wichtiger. 

Stundenpläne mussten eingehalten, Wochenziele erreicht und Monatsberichte verfasst werden. Außerdem breitete sich die Zeit aus: Ehemals nur an Kirchtürmen zu sehen, findet man sie nun an Bahnhöfen, in Fabrikhallen oder in Jackentaschen. Und je planbarer die Zeit sein sollte, desto genauer musste das Zeitmessgerät die Zeit anzeigen. Daraus entwickelte sich eine wahre Meisterschaft der Uhrmacherei, dessen Erbe wir noch heute an unseren Handgelenken bestaunen können.

(Teil 2 gibt es noch einmal zum Nachlesen hier.)

Die Haute Horlogerie formiert sich

Im 18. und 19. Jahrhundert öffnen die Pforten solch bedeutender Uhrenhersteller wie Blancpain (1735), Vacheron Constantin (1755), Girard-Perregaux (1791), Jaeger-LeCoultre (1833), Patek Philippe (1839), A. Lange & Söhne (1845), Cartier (1847), Omega (1848), TAG Heuer (1860), IWC (1868), Audemars Piguet (1875), Breitling (1884) und vielen mehr. Und alle versuchten jenem Uhrmachermeister nachzueifern, der die Uhrmacherei auf ein neues Level gehoben hatte: Abraham-Louis Breguet. Mit dessen Erfindungen, wie beispielsweise der Breguet-Spirale oder der Parachute-Stoßsicherung, konnten Uhren immer kleiner gebaut werden. 

Doch natürlich steuerten aber auch andere großartige Uhrenmacher ihren Teil zum technischen Fortschritt der Uhr bei. So entwickelte Adrien Philippe die sogenannte Remontoiruhr. Diese Taschenuhr wurde nicht mehr, wie bisher, mit einem Schlüssel aufgezogen, sondern bekam dafür eine Krone verpasst, die einen gewissen Antoine Norbert Graf de Patek derart begeisterte, dass dieser Philippe zum Teilhaber seiner bis heute berühmten Uhrenmanufaktur machte.

Die Industrielle Revolution erreicht die Uhrmacherei

So wie im restlichen Europa wanderten auch in Deutschland die Uhrmacher vermehrt in Fabrikhallen. In einem verschlafenen Örtchen im Erzgebirge, in dem die Silber- und somit auch die Lebensadern langsam aber sicher am Versiegen waren, gründete Ferdinand Adolph Lange am 7. Dezember 1845 eine Uhrenmanufaktur. Damit bewahrte er die Stadt Glashütte nicht nur vor dem wirtschaftlichen Niedergang, sondern gab auch die Initialzündung für den Dreh-und Angelpunkt der deutschen Uhrenindustrie. 

Seine Verdienste bescherten Lange von 1848 bis 1866 den Bürgermeistertitel der Stadt. Grundlage für seine Erfolge war zum einen die Einführung der Arbeitsteilung bei der Herstellung der einzelnen Uhrenteile. Zum anderen gelangen ihm mit der Entwicklung von neuen, exakter arbeitenden Werkzeugen und Messgeräten entscheidende Fortschritte in der Feinmechanik. Im Gegensatz zu den kleineren Zunftbetrieben konnte A. Lange durch diese industriellen Neuerungen seine Taschenuhren trotz hoher Qualität in einer solchen Menge produzieren, dass sie gegen ein vertretbares Entgelt unters Volk gebracht werden konnten.

„Eins, zwei, drei im Sauseschritt / läuft die Zeit, wir laufen mit.“ (Wilhelm Busch)

Wenn man so will ging A. Lange mit der Zeit: Während der Industrialisierung gelang es in immer kürzeren Zeitabständen, immer genauere Messgeräte zu konzipieren und somit der Zeitmessung in immer exakter werdende Gebiete vorzudringen: Von der Zehntelsekunde über die Tausendstel bis in den Nanobereich. Mittlerweile kann die Zeit penibler bestimmt werden als der Abstand respektive die Distanz. Der Schritt in hektischere Zeiten war gemacht. Zeiten, die der Autor von Don Camillo und Pepone, Giovanni Guareschi, mit den Worten kommentierte: „Zeit haben nur diejenigen, die es zu nichts gebracht haben. Und damit haben sie es weiter gebracht als alle anderen.”


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