Ganggenauigkeit ist gewissermaßen der Heilige Gral der Uhrenwelt, denn seit Jahrhunderten tüfteln Uhrmacher an neuen Legierungen, effizienteren Räderwerken und reibungsarmen Hemmungen. Laut offiziellen Presse-Statements wolle man temperaturbeständigere, schockresistentere und antimagnetischere Komponenten herstellen, doch am Ende des Tages sind sie allesamt ein Mittel zum gleichen Zweck: die Präzision des Uhrwerkes verbessern.
Wenn Präzision also der Goldstandard ist, wäre es doch schön, wenn Uhrenmarken sich diese gegen ein kleines Entgelt offiziell bestätigen können ließen, oder nicht?
Korrekt! Das dachte sich auch die Schweizer Prüfstelle Contrôle officiel suisse des chronomètres, im Volksmund einfach COSC genannt. Diese wurde 1973 mit dem Ziel ins Leben gerufen, besonders präzise Uhren mit dem Chronometer-Siegel zu belohnen.
Das Prozedere bei mechanischen Uhren umfasst eine Ganggenauigkeits-Prüfung, die insgesamt 15 Tage umfasst. Dabei wird lediglich das Werk, dazu später mehr, in 5 verschiedenen Lagen und bei verschiedenen Temperaturen positioniert, um die durchschnittliche Abweichung zu messen. Der Grund dafür ist, dass die auf das Werk einwirkende Schwerkraft die Präzision in den verschiedenen Lagen unterschiedlich stark beeinflusst.
Um den begehrten COSC-Chronometer-Nachweis zu erhalten, muss darf das Uhrwerk pro tag nicht mehr als 4 Sekunden nach bzw. mehr als 6 Sekunden vorlaufen. In anderen Worten: Die Ganggenauigkeit muss sich im Bereich von – 4 Sekunden bis + 6 Sekunden einpendeln. Um das ganze etwas greifbarer zu machen, gibt es einen interessanten, metrischen Vergleich: Läuft eine COSC-zertifizierte Uhr täglich 6 Sekunden vor, würde selbst nach einem Jahr die Abweichung lediglich 7cm bei 1000m betragen.
Wie bereits erwähnt, wird lediglich das „nackte“ und nicht eingeschalte Werk in einer Momentaufnahme (von 15 Tagen) getestet. Was nach der Prüfung mit diesem passiert, liegt außerhalb des COSC-Kompetenzbereiches. Genau dies ist aber der Grund, warum einigen renommierten Uhrenmarken das COSC-Siegel nicht weit genug geht. Wie verhält es sich z.B. im neuen Keramikgehäuse nach zwei Jahren?
Darüber hinaus verbauen die ersten Marken mit Uhren im mittleren dreistelligen Bereich COSC-zertifizierte Werke. Was den Endverbraucher freuen dürfte, ist den höherpreisigen Mitstreitern hingegen zunehmend ein Dorn im Auge, da durch die langsam fortschreitendende Demokratisierung des Siegels etwas der Schein von Exklusivität mehr und mehr verloren geht. Wie die Highend-Marken dieser Entwicklung entgegenwirken, wird Frage der folgenden Episoden werden.
Entgegen der vorangegangen kritischen Anmerkungen ist ein COSC-zertifizierter Chronometer natürlich nichtsdestotrotz ein echtes Verkaufsargument und ein großes Plus im Vergleich zu nicht-zertifizierten Uhren. Läuft das Uhrwerk heute genau, wird es dies aller Voraussicht nach auch noch in 1-2 Jahren tun, zumindest wenn man nicht als Vielflieger jeden zweiten Tag den Flughafen-Körperscanner durchläuft.
Dennoch sind vielen renommierten Uhrenmarken die Ansprüche zu lax, da ungewiss bleibt, wie sich die Ganggenauigkeit in der Zukunft verhält, von der Herkunft der Komponenten und dem zugrundeliegenden Finish ganz zu schweigen. Ein zweischneidiges Schwert.
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