Einige Uhrenmodelle kommen gerade erst auf den Markt und sind in der nächsten Sekunde bereits so gut wie vergriffen durch Händler, Insider etc. Gibt es denn für den Normalsterblichen keinen Weg, die Warteliste nach oben zu klettern? Wir sprachen mit Mike Margolis, einem US-amerikanischen Distributor für unabhängige High-End-Uhrenmarken, um mehr Einblicke in diese mysteriöse Welt der Uhren-Warteliste zu erhalten.
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass keine Uhrenfirma 100% transparent über ihre Produktionszahlen ist. Zudem prognostizieren die meisten Unternehmen ihre Produktion für mehrere Jahre im Voraus, sodass es schwer zu wissen ist, wie weit man noch von der gewünschten Uhr entfernt ist. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass die Warteliste selbst einen Echo-Effekt haben kann, bei dem eine erhöhte Nachfrage die eigentliche Nachfrage um einiges vervielfacht.
“Die Menschen wollen, was sie nicht haben können”, sagt Margolis. “Wenn eine Uhr zum Kultklassiker wird, steigen die Preise in die Höhe und die Popularität steigt noch weiter, so dass das Angebot begrenzt und die Nachfrage steigt. Einige Unternehmen würden nun die Produktion erhöhen, um die Nachfrage zu decken und so mehr Umsatz zu generieren, während andere hingegen die Warteliste bevorzugen und das Angebot verknappen. Jede Uhrenfirma träumt davon, ein Produkt zu kreieren, bei dem die Kunden Schlange stehen. Dies ist jedoch in der Realität ein ziemliches seltenes Szenario.”
Viel wichtiger als der zeitliche Aspekt ist jedoch eine Priorisierung, denn Wartelisten sind in der Uhrenwelt nun mal nicht chronologisch. Ein Erstkäufer, der am Tag der Uhren-Lancierung in die Boutique kommt und die Neuerscheinung anfragt, bekommt seine Uhr nicht früher als ein Großkunde oder Kunde mit Einkaufshistorie, der eine Woche später vorbeischaut. Das Gegenteil wird der Fall ein.
Autorisierte Rolex-Händler können den Begriff “Warteliste” bei ihren Kunden nicht mehr offiziell verwenden, während Patek Philippe den Begriff “Wunschliste” bevorzugt. Damit demonstrieren Marken, wie sie versuchen, die Kontrolle über den endgültigen Vertrieb ihrer Produkte zurückzugewinnen. Das bedeutet für Sie, den Leser, Endkunden und Uhrenkäufer, nun ein paar Dinge, während Sie das Wartespiel spielen.
Erste Grundregel: Bei begehrten Artikeln hilft es immer, eine Beziehung zu der Marke direkt und nicht zum Einzelhändler aufzubauen.
“Wenn die Marke über Boutiquen oder Direktvertriebskanäle verfügt, wird sie sich bemühen, die Einzelhändler davon abzuhalten, das begehrte Produkt zu erhalten, und den Verkauf im Vollverkauf an ihre eigenen Verkaufsstellen und nicht zum Großhandelspreis an einen Einzelhändler fördern”, sagt Margolis. Wenn Sie ein Vollblut-Anhänger eines bestimmten Uhrenhauses sind, könnte der direkte Einkauf und die persönliche Betreuung in einigen markeneigenen Geschäften langfristig von Vorteil sein, wenngleich dies keine hieb- und stichfeste Garantie ist.
Wenn bei einer wirklich gefragten Uhr die Nachfrage das Angebot übersteigt, werden sogar einige VIPs zwangsläufig übergangen. Und die Marke fühlt sich nicht unbedingt unter Druck gesetzt, selbst für ihre gut situierten Kunden viel zu tun: “Einige Leute sind enttäuscht (denken Sie, Ford GT Nachfrage vs. Angebot), sagt Margolis. “Andere werden auf den Sekundärmarkt gehen und über den Einzelhandel bezahlen, nur um ihren Wunsch zu erfüllen.”
Denken Sie jedoch nicht, dass Ihre Einkaufsgewohnheiten keine Rolle spielen, denn Marken achten durchaus darauf, welche spezifischen Käufer Vielflieger auf ihrem Verkaufsbild sind. Das gilt sicherlich sowohl für Markenstores als auch für autorisierte Einzelhändler, die oft mit weniger begehrten Modellen arbeiten müssen, um Zugang zu den heißesten Optionen zu erhalten. Wenn Sie ein paar davon von ihren Händen genommen haben, werden sie sich eher an Sie erinnern, wenn Ihre Traumuhr kommt.
Und wenn die Marke oder das Geschäft, das Sie besuchen, nicht uhrenspezifisch ist, schränken Sie sich nicht unnötig ein. “Um ehrlich zu sein, denke ich, dass es nur um die Ausgaben geht. Kaufen Sie doch einmal einen Verlobungsring im Wert von 100.000 Dollar und schauen Sie dabei zu, wie schnell Sie die Warteliste für eine Daytona hinaufklettern”, sagt Margolis.
Traut man den unzähligen Diskussionen in einschlägigen Uhrenforen und unter Sammlern, scheinen auch die Uhrenmarken ein Augenmerk darauf zu legen, was nach dem Kauf einer Uhr damit passiert. Insbesondere im äußerst aktiven Sekundärmarkt ist watch flipping, also das ständige Ein- und wieder Verkaufen von Uhren, Gang und Gäbe. Obwohl Einzelhändler nicht Stellung dazu beziehen wollten, sollte man als Käufer die Existenz einer potenziellen schwarzen Liste in Betracht ziehen, insbesondere wenn man echte Kaufabsichten hegt. Ihre zukünftige Uhrenkäufe könnten durch exzessives „Uhren-Flippen“ ernsthaft erschwert werden.
Am Ende des Tages ist es jedoch, so scheint es leider, oftmals immer noch mehr Glück als Verstand. Auch professionelle Sammler wie Margolis sind ab und zu auf einen Glücksfall angewiesen. Zur Suche einer seltenen Panerai im Jahr 2006 sagt er: “Ich hatte das Glück, auf der Warteliste der Beverly Hills-Boutique zu stehen, und ich habe es tatsächlich geschafft.“
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