KUDOKE-Uhren aus Sachsen: Im Gespräch mit GPHG-Gewinner Stefan Kudoke

By Montredo in Lifestyle
Oktober 11, 2019
KUDOKE-Uhren aus Sachsen: Im Gespräch mit GPHG-Gewinner Stefan Kudoke

Dass Deutschland sich in puncto Uhren vor keinem anderen Land verstecken muss, ist längst kein Geheimnis mehr. Dabei hat es jedoch so viel mehr zu bieten, als die üblichen Verdächtigen aus Glashütte. Wir richten unser Augenmerk heute auf Weifa, eine Ortschaft in der Nähe von Bautzen und nur unweit der tschechischen Grenze. Dort realisiert Stefan Kudoke in penibler Handarbeit und mit Unterstützung seiner Frau Ev seine uhrmacherische Vision.

Als erster unabhängiger deutscher Uhrmacher erhielt Stefan Kudoke Anfang November 2019 den renommierten Grand Prix d’Horlogerie de Genève (GPHG) – den Oscar der Uhrenbranche – in der Kategorie „Petite Aiguille“. Mit seiner Uhr KUDOKE 2 setzte er sich dabei gegen Industrie-Schwergewichte wie Zenith, IWC und Maurice Lacroix durch.

Herr Kudoke, Sie wissen wie es ist, für große Namen à la Breguet und Omega zu arbeiten. Was veranlasste Sie letztlich dennoch eines Tages dazu, Ihre eigene Uhrenmarke ins Leben zu rufen? Was war rückblickend die größte Hürde? 

Ja, ich habe für einige renommierte Uhrenmarken gearbeitet und dort sehr viel durch gute Kollegen gelernt. Ich bin aber ein Mensch, der gern seine eigenen Ideen umsetzt. Mir wurden die Konzernstrukturen einfach zu eng, um mich zu entfalten. Auch wenn man in den besten Abteilungen sitzt, ist man doch nur ein Rädchen in einem großen Getriebe. Außerdem konnte ich meinen Wissensdurst nicht mehr befriedigen, weshalb ich ausstieg, um zu studieren. Während meines Studiums, reifte der Gedanke bzw. die Idee, eine eigene Marke zu gründen. Das tat ich dann auch – KUDOKE ist sozusagen in meinem Studentenzimmer im Wohnheim geboren.

Rückblickend war die größte Herausforderung das fehlende Kapital. Ich habe das Unternehmen damals ohne Investor und Bankkredite aufgebaut, was auch bis heute so geblieben ist. Betriebswirtschaftlich sicherlich falsch, für mich persönlich genau richtig. Sicherlich geht der Aufbau des Unternehmens und die Steigerung der Markenbekanntheit mit finanzieller Unterstützung viel schneller. Ich bin aber noch jung und habe Zeit. Außerdem ist mir meine Freiheit sehr wichtig. Ich nehme den Begriff „independent watchmaking“ eben wörtlich.

Stefan Kudoke am Maschine.

Ihre Uhren weisen einige typische Merkmale der Glashütter Uhrmacherkunst auf, wie z.B. den handgravierten Unruhkloben oder dekorativen Sonnenschliff. Wie sehr kann dies als bewusste Huldigung an das deutsche Uhrenmekka, das sich nur einen Katzensprung von Ihnen entfernt befindet, verstanden werden? 

Zugegeben gibt es einige Merkmale der Werkeveredelung, welche auf der Glashütter Uhrmacherkunst basieren. Wenn man jahrelang in und mit Glashütte zu tun hat, hinterlässt dies Spuren, die mehr oder weniger bewusst in meine Kreationen einfließen. Als bewusste Huldigung würde ich es jedoch nicht bezeichnen, obwohl ich die Glashütter Uhrmacherkunst sehr schätze. So möchte ich mit meinen Uhren einen eigenen Weg gehen. Für die neue Modellreihe HANDwerk beispielsweise habe ich mich von der Werkearchitektur historischer englischer Taschenuhren inspirieren lassen. Da es in der Vergangenheit starke Kooperationen zwischen der englischen und der sächsischen Uhrmacherzunft gab, schließt sich hier wieder der Kreis.

Kudoke-Kaliber 1
Das hauseigenes Kudoke-Kaliber 1 wurde durch die englische Handwerkstradition inspiriert.

Welche Uhrenmarken bzw. -strömungen haben sich im Laufe Ihrer jahrzehntelangen Karriere als Inspirationsquelle Ihrer eigenen Kreationen herauskristallisiert? 

Das wird Sie jetzt vielleicht überraschen, aber tatsächlich interessiere ich mich nicht für die meisten Uhrenmarken und deren Kreationen und schon gar nicht für irgendwelche Strömungen. Ich habe mich die letzten 15 Jahre auf Skelettuhren spezialisiert – die Nische per Definition – und folge keinem Trend. Ich baue einfach Uhren, die mir gefallen.

Mich interessieren Menschen, besondere Persönlichkeiten der Uhrenbranche. Das ist es, worum es mir geht. Dazu zählen für mich die sogenannten „Independent Watchmakers“, welche im deutschen Uhrenmarkt meist unbekannt sind, aber in anderen Ländern hohes Ansehen genießen. Diese Persönlichkeiten zeichnet aus, dass sie in der Lage sind, Uhren selbst zu konstruieren, zu fertigen und letztlich daraus eine Uhrenmarke zu entwickeln.

Es sind Persönlichkeiten, die das Wissen und die Fähigkeiten des Uhrmacherhandwerks bewahren, wenn in der Industrie der Roboter und die Künstliche Intelligenz die Produktion übernehmen. Schon heute zeichnet sich dieser Wert der Zukunft ab. Schauen sie sich die Auktionspreise von Uhrenmodellen der Unabhängigen Uhrmacher global an. Leider geht der Bereich des Independent Watchmaking bisher am deutschen Uhrenmarkt vorbei. Aber das kann sich ja noch ändern.

Stefan Kudoke
Das Setzen der Positionslöcher in die Werkplatine erfordert eine ruhige Hand.

Mit welchen Attributen würden Sie in Ihren Augen den typischen Kudoke-Käufer beschreiben? 

Den typischen Kudoke-Käufer gibt es nicht. Er/ sie ist so individuell und verschieden wie jede Uhr von KUDOKE. Aber eines verbindet sie alle: sie tragen die Uhr für sich, ein großer Markenname ist ihm/ ihr dabei nicht wichtig. Somit sind Kunden von KUDOKE auch in gewisser Weise „independent“.

Die Baselworld steht bereits seit einiger Zeit in der Kritik, doch auch dieses Jahr konnte man dort wieder Ihre neusten Kreationen bewundern. Inwiefern sehen Sie darin auch zukünftig für kleinere Nischenmarken einen geeigneten Weg zur Profilierung? 

Die Baselworld stellt für mich auch im 10. Jahr immer noch eine sehr gute Plattform dar. Wir kleineren Hersteller können dort unsere Bekanntheit ausbauen und uns den Besuchen der gesamten Welt präsentieren. Die großen Marken benötigen die Baselworld sicherlich heutzutage nicht mehr. Für uns Kleinere wäre die Einstellung der Messe allerdings sehr nachteilig. 

Die Kudoke-HR 1 der KUNSTwerk-Kollektion
Die HR 1 der KUNSTwerk-Kollektion.

In der KUNSTwerk-Kollektion zeigen Sie mit aufwendigen Skelettierungs- und Gravierarbeiten oder aber einem Tourbillon Ihr ganzes uhrmacherisches Können. Was können Sie zu Ihrer Fertigungstiefe und Produktionsdauer sagen? 

Wir können als kleiner Familienbetrieb leider nicht alles selbst fertigen. Dies macht auch bei einigen Teilen überhaupt keinen Sinn, da es Spezialisten gibt – man denke nur an das Thema Spiralfeder – die dies in einer viel besseren Qualität herstellen, als wir es könnten. Trotzdem beziehen wir fast all unsere Teile in einem absoluten Rohzustand. Bei uns im Haus erfolgt die komplette Überarbeitung und Anpassung der Einzelteile, Finissage, bis zur endgültigen Montage. Daneben stellen wir einige Teile unserer Werke, teils auch Zeiger und Zifferblätter mittels konventioneller Methoden im Haus her. Und selbstverständlich entwerfe und entwickle ich die einzelnen Modelle, auch die Einzelanfertigungen nach Kundenwunsch, selbst.

Durch den hohen Grad an handwerklicher Fertigung produzieren wir um die 50 exklusive Uhren im Jahr. Die Wartezeit für Bestellungen liegt im Augenblick bei ca. 6 Monaten, wobei wir immer versuchen unsere Kunden nicht zu lange warten zu lassen.

Stefan Kudoke

Mit Ihrer HANDwerk-Kollektion kommen auch Uhrenfreunde unprätentiöserer Designs vollends auf Ihre Kosten. In welcher Hinsicht hat HABRING² Ihnen auf diesem Weg geholfen? 

Wir sind mit Maria und Richard Habring schon seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Vor einiger Zeit ging mir der Gedanke durch den Kopf, meine Kunstuhren durch eine neue Modelllinie zu erweitern. Dabei wollte ich kein fertiges Werk einkaufen, sondern es sollte etwas Eigenes mit meiner Handschrift sein. Im Austausch mit HABRING² zu diesem Thema kam die Idee auf, bei einigen Teilen zu kooperieren und diese gemeinsam bei den jeweiligen Lieferanten produzieren zu lassen, was letztlich für beide Seiten vorteilhaft ist.

Insofern sind Maria und Richard mir auf diesem Weg eine wichtige Stütze gewesen. Durch solche Kooperationen kleinerer Hersteller ist es möglich, unabhängig von den etablierten Schweizer Großkonzernen eigenständige Uhren zu fertigen und diese letztlich auch zu fairen Preisen anzubieten. Der Austausch zum Thema Konstruktion, Handwerks- und Produktionstechniken, sowie Lieferanten auch mit anderen unabhängigen Uhrmachern ist mir besonders wichtig. Kooperation statt Konkurrenz – das zeichnet diesen kleinen Kreis der kreativen Uhrmacher aus.

Kudoke 1
Insbesondere die KUDOKE 1 versprüht vornehmes Understatement.

Zu guter Letzt: Wohin soll die Reise für KUDOKE gehen?

Vorerst bin ich zufrieden, so wie es ist. So werden wir unseren Weg als Familienunternehmen weitergehen, vielleicht unser kleines Team etwas ausbauen, aber nicht zu groß wachsen. Was mich für die Zukunft reizt, ist mein Handwerk weiter zu verfeinern, fast verloren gegangene Handwerkstechniken zu erlernen, vertiefen und in zukünftigen Modellen einfließen zu lassen. Als meine Hauptaufgaben betrachte ich das Sichern von Wissen in der Uhrmacherei und dessen Weitergabe an meine Kinder, damit es im Zeitalter der Digitalisierung nicht verloren geht und irgendwann ausstirbt.

Vielen Dank, Herr Kudoke.


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Vorherige Kommentare (3)

  1. Großartiges Interview mit einem großartigen Uhrmacher, wunderbar!
    Alles Gute für die Zukunft, Herr Kudoke.

    September 16, 2020
  2. Die skelettierten Uhren sind weniger mein Fall, die Kudoke 1 dafür aber umso mehr. Kleine Sekunde bei 9 Uhr, gebläute Zeiger, die kleinen römischen Indizes entlang der Minuterie, alles sehr klassisch und zeitlos. 👍
    Schön, dass es noch Uhrmacher gibt, die einfach nur Uhren nach ihrem eigenen Geschmack herstellen möchten.

    Oktober 19, 2020
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